Drama/Komödie | 2022 | Deutschland
93 Minuten
Ingwer, 47 Jahre alt und Dozent an der Kieler Uni, fragt sich schon länger, wo eigentlich sein Platz im Leben sein könnte. Als seine „Olen“ nicht mehr allein klarkommen, beschließt er, dem Leben in der Stadt den Rücken zuzukehren, um in seinem Heimatdorf Brinkebüll im nordfriesischen Nirgendwo ein Sabbatical zu verbringen.
Doch den Ort seiner Kindheit erkennt er kaum wieder: auf den Straßen kaum
Menschen, denn das Zusammenleben findet woanders statt. Keine Dorfschule, kein Tante-Emma-Laden, keine alte Kastanie auf dem Dorfplatz, keine Störche. Auf den Feldern wächst nur noch Mais, aus gewundenen Landstraßen wurden begradigte Schnellstraßen. Als wäre eine ganze Welt versunken.
Wann hat dieser Niedergang begonnen? In den 1970ern, als nach der Flurbereinigung
erst die Knicks und dann die Vögel verschwanden? Als die großen Höfe wuchsen und die kleinen starben? Als Ingwer zum Studium nach Kiel ging und seine Eltern mit dem Gasthof sitzen ließ? Wann verschwand die Mittagsruhe mit all ihren Herrlichkeiten und Heimlichkeiten?
Sönke Feddersen, de Ole, hält immer noch stur hinter seinem Tresen im alten Dorfkrug die Stellung, während Ella, seine Frau, mehr und mehr ihren Verstand verliert. Beide lassen Ingwer spüren, dass er sich schon viel zu lange nicht um sie gekümmert hat. Und nur in kleinen Schritten erkennt er, dass er noch längst nicht alle Geheimnisse entblättert hat.
MITTAGSSTUNDE ist die Verfilmung des Bestsellers von Dörte Hansen, eine große Erzählung über die Menschen im Norden Deutschlands, die nicht viel reden, es aber verstehen, sich zu kümmern, wenn es Not tut.
Unter der Regie von Lars Jessen (AM TAG ALS BOBBY EWING STARB, DORFPUNKS, FRAKTUS), nach einem Drehbuch von Catharina Junk (DIE DUNKLE SEITE DES MONDES), wird voll leiser Melancholie die Geschichte des Verfalls der Dorfkultur erzählt, bei der immer die Frage mitschwingt, wer wir als Individuen und als Gesellschaft in Zukunft sein wollen und wo wir hingehören.
Regie: Lars Jessen
Produktion: Lars Jessen, Klaas Heufer-Umlauf
Drehbuch: Catharina Junk
Kamera: Kristian Leschner
Szenenbild: Dorle Bahlburg
Kostümbild :Anette Schröder
Maskenbild: Uta Spikermann
Musik: Jakob Ilja
Besetzung
Ingwer Feddersen: Charly Hübner
Ingwer Feddersen (1965-1976): Lennard Conrad
Sönke Feddersen: Peter Franke
Sönke Feddersen (1965-1984): Rainer Bock
Ella Feddersen: Hildegard Schmahl
Ella Feddersen (1965-1976): Gabriela Maria Schmeide
Marret (1965-1976): Gro Swantje Kohlhof
Ragnhild: Julika Jenkins
Claudius: Nicki von Tempelhoff
Heiko Ketelsen: Jan Georg Schütte
Filmkritik
„Das Ganze ist so überzeugend, effizient und geschickt gestaltet, in Szene gesetzt und montiert, dass sich daraus nicht nur ein lebendiges und stimmiges Bild der durchaus verworrenen, Jahrzehnte überspannenden Familiengeschichte der Feddersens ergibt, sondern auch die berührende Chronik einer untergegangenen Welt. ... MITTAGSSTUNDE ist ein schöner, sensibler Film, der nicht nur, aber ganz besonders in der unaufgeregten und deshalb umso wirkungsvolleren Zeichnung seiner zwischenmenschlichen Verbindungen überzeugt und berührt. Das liegt neben dem stimmigen Drehbuch und der sorgfältigen Regie auch an den Schauspielern; ein auf Vergangenheits- wie Gegenwartsebene gut funktionierendes, herausragendes Ensemble. ... Wie Charly Hübner da zur Seite guckt, mit wenig Mimik und Gestik andeutet, wie es in seiner Figur arbeitet, sich schließlich sammelt – das ist schlicht großartig. ... Dazu erlaubt sich der Film dann ganz am Ende ein paar in Nostalgie badende Bilder; wenige Momente hemmungsloser Sentimentalität, die schlicht perfekt sind.“ Filmdienst
„Wie Charly Hübner diesem Mann Leben einhaucht, ist einfach nur zauberhaft. Hübner macht das mit einer großartigen Zartheit, in die sich kein falscher Ton mischt. … Leben und Sterben auf dem Dorf, Konventionen und ihre Brechungen, all das erzählt Lars Jessen nach dem gleichnamigen Buch von Dörte Hansen so unaufgeregt wie fesselnd.“
Münchner Feuilleton
„Regisseur Lars Jessen erzählt von Kneipen und Gemeinschaftssinn, von Sprache und Kultur – und davon, wie alles verschwindet. … Ein Dorf das langsam verschwindet. Eine Kneipe, der die Gäste wegsterben. Nach dem Roman von Dörte Hansen erzählt Regisseur Lars Jessen in MITTAGSSTUNDE vom schleichenden Untergang der Kultur und der plattdeutschen Sprache in der norddeutschen Provinz. Wofür andere eine ganze TV-Serie brauchen (beispielsweise Edgar Reitz‘ „Heimat“), das schafft Jessen mit seinem Rückblick über fünfzig Jahre in kurzweiligen 92 Minuten.“ kulturnews
„Ein wehmütiger und gleichzeitig latent komischer Blick aufs norddeutsche Land und seine Strukturveränderungen zwischen den 1960ern und der Jetztzeit.“ Cinema
Auszeichnungen
Filmkunstmesse Leipzig 2022
Gilde Filmpreis, Bester Film (national)
Quellen: google.com, mittagsstunde-film.de