Sozialdrama | 2019 | Deutschland
Benni ist neun Jahre alt und muss immer wieder zu neuen Pflegefamilien. Sie vergrault jede Einzelne. Sie will nur zu ihrer Mutter. Doch ihre Mutter fürchtet sich vor ihr und hat sie abgegeben. Das System ist damit überfordert.
Bennis Wut ist pink. Wenn die grelle, pulsierende Farbe die Leinwand flutet, rastet Benni aus. Dann schmeißt das Kind mit Bobby-Cars um sich, bis selbst Sicherheitsglas zu Bruch geht. Es schreit und spuckt und schlägt und tritt und brüllt: "Fick dich, du Arschloch!" Einmal greift Benni zum Messer. Einmal landet der Pflegebruder im Krankenhaus. Benni ist schwer zu ertragen, das macht der Film Systemsprenger schon in der ersten Einstellung klar, wenn die Leinwand noch schwarz ist, aber schon ein Fiepsen und Kreischen die Nerven traktiert. Was also tun mit so einem Mädchen?
Die Mutter ist eine hilflose Person, die noch zwei jüngere Kinder hat. Sie liebt ihre Tochter, diese Liebe ist Bennis großer, unerreichter Sehnsuchtsort, aber leider auch die unzuverlässigste Konstante in ihrem jungen Leben.
Was in Bennis Kleinkindalter vorgefallen sein mag, erfährt man nicht. Heute erträgt sie es nicht, wenn ihr jemand anderes als die Mutter ins Gesicht fasst, weil jemand ihr als Baby die vollgemachten Windeln ins Gesicht gedrückt hat. Mit neun Jahren hat Benni schon mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie hinter sich. 27 Heime und Wohnprojekte haben sie rausgeworfen oder weigern sich, es noch einmal mit ihr zu probieren. Im Laufe des Films werden es noch mehr werden. Immer wieder rastet das Mädchen aus und haut ab.
Dann kommt Micha. Eigentlich arbeitet der junge Mann mit gewalttätigen Jugendlichen, jetzt soll er Bennis Schulbegleiter werden. Er setzt ihr nicht nur Grenzen und beschützt sie vor ihrer Wut, indem er sie schnappt und aus eskalierenden Situationen wegträgt – Micha hat auch selbst eine Vergangenheit, in der Wut, Aggressivität und Gewalt eine Rolle spielten.
Erscheinungsdatum: 19. September 2019 (Deutschland)
Direktorin: Nora Fingscheidt
Musik komponiert von: John Gürtler
Drehbuch: Nora Fingscheidt
Produzenten: Peter Hartwig, Jonas Weydemann, Jakob D. Weydemann, Frauke Kolbmüller
Besetzung: u.a. Helena Zengel (Benni), Albrecht Schuch (Micha), Tedros Teclebrhan (Erzieher Robert), Lisa Hagmeister (Bianca Klaaß), Maryam Zaree (Elli Heller)
Filmkritik
Bei der Berlinale 2017 wurde Fingscheidts noch unverfilmtes Drehbuch mit dem Kompagnon-Förderpreis des Programms Berlinale Talents prämiert. Die Jury um Feo Aladag, Sigrid Hoerner und Johannes Naber lobte das Skript als „beklemmendes, einfühlsames und genau recherchiertes Szenario über unser pädagogisches System und ein ergreifendes, humanistisches Plädoyer für die ‚Schwierigen‘, die Nicht-Konformen, die vermeintlich Dysfunktionalen“.
Oliver Kaever (Spiegel Online) rezensierte Systemsprenger in einer Kurzkritik als „Anti-Familienfilm“ und lobte die Leistung der Schauspieler als „grandios“, vor allem Hauptdarstellerin Helena Zengel. „Systemsprenger ist ein typischer Debütfilm, in der Wahl der filmischen Mittel überschwänglich, dramaturgisch mäandernd und zu lang, aber seine rohe und ungeschliffene Energie belebt den in dieser Anfangsphase reichlich behäbigen Berlinale-Wettbewerb“, so Kaever.
Auszeichnungen
Deutscher Filmpreis 2020
Palm Springs International Film Festival 2020
FIPRESCI-Preis – Beste Darstellerin Helena Zengel
Quellen: Google, Wikipedia