Drama/Roadmovie | 2020 | USA
Fern (Frances McDormand) hat vor einiger Zeit ihren Mann verloren, aber dennoch ist sie in dem gemeinsamen Haus in Empire, Nevada wohnen geblieben. Nun allerdings hat die United States Gypsum Corporation, ein Baustoffhersteller und der einzige große Arbeitgeber der Kleinstadt, dichtgemacht und es gibt keine Jobs mehr. Nicht einmal eine Postleitzahl hat Empire mehr, weswegen Fern in ihrem kleinen Transporter lebt, durch die Vereinigten Staaten fährt und sich von Job zu Job treiben lässt.
Sie besteht allerdings darauf, dass sie nicht obdachlos, sondern einfach nur hauslos ist. Fern könnte aufgrund ihrer Qualifikationen jederzeit wieder ein normales Leben führen, doch sie bevorzugt das Leben auf der Straße mit seiner Freiheit, den anderen Menschen und den vielen Bekanntschaften, die man irgendwann wiedertrifft. So arbeitet sie etwa in einem Versandlager, bei der Ernte oder in einer Wohnwagensiedlung...
"Nomadland" basiert auf dem Sachbuch der US-Journalistin Jessica Bruder "Nomaden der Arbeit: Überleben in den USA im 21. Jahrhundert". Die Autorin hatte einige dieser Umherziehenden ein Jahr lang begleitet.
Regisseurin Chloe Zhao, die auch Drehbuch und Schnitt verantwortet, tat es ihr mit einer kleinen Kamera-Crew nach. Sie waren selbst in Vans unterwegs, trafen Nomaden und drehten mit ihnen auf Campingplätzen in Naturparks, entlang von Highways, bei ihrer Arbeit in Großküchen, auf Erntefeldern und als Packer in einem riesigen Amazon-Versandzentrum.
Echte Nomadinnen, wie Linda May, die mit ihrem Camper durch den Westen der USA zieht, werden zu Darstellerinnen, während McDormand überzeugend zu einer von ihnen wird.
Da alle Beteiligten - außer McDormand und David Strathairn - Laiendarsteller sind und im Film fiktive Versionen von sich selbst spielen, verwischen die Grenze zwischen Fakt und Fiktion. Im Ergebnis ist Nomadland so ein dokumentarisches Zeugnis in einem narrativen Rahmen, ein semifiktionales und dokumentarisch anmutendes Roadmovie.
Erscheinungsdatum: 3. Januar 2019 (Deutschland)
Regie: Chloé Zhao
Drehbuch: Chloé Zhao
Produktion: Mollye Asher, Dan Janvey, Frances McDormand, Peter Spears, Chloé Zhao
Musik: Ludovico Einaudi
Kamera: Joshua James Richards
Schnitt: Chloé Zhao
Besetzung
Frances McDormand: Fern
David Strathairn: David
Linda May: Linda
Charlene Swankie: Swankie
Bob Wells: Bob
Derek Endres: Derek
Peter Spears: Peter
Filmkritik
Zwar ist Ferns „Leben auf der Straße“ eine Entscheidung, die sie zu Beginn nicht freiwillig trifft, ebenso wie bei den Nebenfiguren, doch wirft der Film keinen mitleidigen Blick auf sie. Vielmehr kondensiere sich in diesem Nomadenleben der uramerikanische Mythos vom Unterwegssein, vom Leben on the road, so Rudolf Worschech von epd Film. Fern wird zur Nomadin aus Überzeugung. „Sie lebt nicht so, weil sie nicht die Option hätte, in einem Haus zu leben – sondern weil sie das so möchte“, so die Filmkritikerin Antje Wessels über die Protagonistin, die fest davon überzeugt ist, der Zivilisation ein für alle Mal den Rücken zu kehren.
Da dies in vielerlei Hinsicht auch eine Überlebensgeschichte, sogar eine Abenteuergeschichte ist, wurde Nomadland immer wieder als Abenteuerfilm beschrieben. Worschech bemerkt, Nomadland habe auch etwas von einem Western, wenn auch ohne Colts.
Christian Pogatetz vom österreichischen Online-Filmmagazin Uncut schreibt, Regisseurin Chloé Zhao zeichne in ihrem abermals von einem angenehmen Naturalismus durchzogenen und von seltener Authentizität durchdrungenen Nomadland ein tief-menschliches, authentisches Abbild einer Subgesellschaft, deren früheres Leben durch die Folgen des Kapitalismus ruiniert wurde, über all jene, die vom System links liegen gelassen wurden und denen selten die nötige Bühne gegeben wird. Das Drama sei jedoch alles andere als eine mit Holzhammer vermittelte Kapitalismuskritik, sondern in erster Linie ein tief-humanistisches Werk, das sich ausreichend Zeit nimmt, um die jeweiligen Schicksale der Leidtragenden glaubhaft und befreit von Kitsch zu porträtieren. Das gemächliche Tempo, in dem sich die Charakterstudie fortbewegt, werde zwar bestimmt bei so manchen Zuschauern Langeweile hervorbringen, die naturalistische Inszenierung mache es einem jedoch leicht, in den dargestellten, oft vergessenen Mikrokosmos dieser Menschen, die ein klassisches Dasein im kapitalistischen Herzen Amerikas aufgegeben haben und am Rande der Gesellschaft verweilen, einzutauchen, so Pogatetz: „Die rauschhafte Bildgewalt der vielzähligen Landschaftsaufnahmen lädt zum Staunen ein und kreiert seine eigene visuelle Poesie, die stets mit dem Inhalt des Gezeigten harmoniert.“ Die zum Großteil von Laien verkörperten Figuren täten für die Authentizität das Übrige, und Frances McDormand reihe sich trotz ihrer jahrzehntelangen Filmerfahrung mühelos in deren Riege ein und erwecke den Eindruck einer waschechten Nomadin. Ihr subtiles Porträt einer Frau älteren Semesters, die in der Vergangenheit vieles durchmachen musste und sich für ein neues Leben fern von der kapitalorientierten gesellschaftlichen Mitte entschieden hat, strotze nur so vor Empathie und Natürlichkeit.
Auszeichnungen
Vom American Film Institute wurde Zhaos Regiearbeit zu einem der zehn Movies of the Year 2020 gezählt. Im Folgenden eine Auswahl der Nominierungen und Auszeichnungen.
Golden Globe Awards 2021
Independent Spirit Awards 2021
Internationale Filmfestspiele von Venedig 2020
Oscarverleihung 2021
Quellen: Google, wikipedia, dueddeutsche.de, vienna.at